Der Pictorialismus wollte die Fotografie von ihrem "Geburtsfehler" - der objektiven und mechanischen Genauigkeit - befreien und strebte nach der für die Malerei typischen Subjektivität, nach weichen Konturen und "künstlerischer Unschärfe".
Der Pictorialismus entwickelte sich zeitgleich mit dem Symbolismus und teilte dessen Ablehnung der modernen Welt. Seine Motive waren vorwiegend nostalgisch oder ohne jeglichen zeitlichen Bezug: Die Fotos zeigten Geschichtliches, Mythen, religiöse Motive, Landschaften oder Akte.
So rückwärtsgewandt der Pictorialismus thematisch und ästhetisch war, so gewagt ging er formell vor und entwickelte fotografische Methoden - Weichzeichnung, Spezialobjektive, zeichnerische, grafische oder malerische Nachbearbeitung der Abzüge -, die auch die fortschrittlichsten zeitgenössischen Fotografen anwenden.
Getragen wurde diese gegenläufige Avantgarde von großen Fotografen wie Robert Demachy, Alvin Langdon Coburn, Frank Eugene, Edward Steichen und Alfred Stieglitz. Sie stellten ihre Kreativität in den Dienst einer Kunst, die mehr sein sollte als "nur" Fotografie und die in Europa und den USA rund zwei Jahrzehnte lang den Ton angab. (Quelle: ARTE.TV)