In meiner Jugend - lang ist's her - genauer in meiner Schulzeit hatte ich mir eine S/W-Dunkelkammer eingerichtet und mit Film- und Bildentwicklungen auch für die Nachbarschaft nach und nach einiges weiteres Zubehör finanziert. Später dann zusätzlich mit großelterlicher Zuwendung, Ferienarbeit und den Erlösen aus besagter Nachbarschaftshilfe konnte ich mir noch eine Spiegelreflexkamera Praktica MTL 5 leisten. Mit dem Beginn der Lehrzeit ist dann das Hobby etwas eingeschlafen und mit Gründung der Familie habe ich dann mein Fotolabor abgebaut und im Keller eingemottet. Bei den Aufräumaktionen im Keller konnte ich dann von Zeit zu Zeit mal in nostalgischen Erinnerungen schwelgen. Zum letzten Umzug musste dann auch die letzten Geräte wie Vergrößerer, Zeitschaltuhr usw. schweren Herzens auf den Sperrmüll. Den Trennungsschmerz nie ganz überwunden und aus meiner Sammelleidenschaft für Praktica- und Exa-Kameras habe ich wieder das Interesse an der der Analogfotografie entdeckt und einige Filme mit der Praktica und sogar einige Rollfilme mit der Pentacon six durchgezogen, alles mit der Aussicht diese zu einem Dunkelkammer-Workshop zu entwickeln und einige Vergrößerungen zu machen.
Vergrößerer in der Dunkelkammer |
Dieser Workshop S/W-Fotolabor fand nun am vergangenen Wochenende in Leipzig statt. Zu dritt machten wir uns nach der Behandlung von einigen theoretischen Grundlagen zu Filmen, Empfindlichkeiten, Entwickler, Arbeitsablauf und nach einigen Trockenübungen, zuerst noch mit Licht dann in völliger Dunkelheit, zum Einlegen des Films in die Entwicklerdose daran, die ersten Filme selbst zu entwickeln. Nach gut einer halben Stunde im Entwicklungsprozess konnten wir einen ersten vorsichtigen Blick auf die nassen Negative werfen, dann noch mal ausgiebig wässern und trocknen. Während des Wässern und Trocken machten wir uns noch mit den Vergrößerungsgeräten, Zeitschaltuhren, Mischkopf bzw. Filter vertraut und auch dies anfänglich mit ein paar Trockenübungen. Man soll es kaum glauben, aber somit war der erste Tag des Workshops schon wieder vorbei.
Mittelformat-Negative für den Kontaktabzug |
Am zweiten Tag sind wir dann voller Erwartung an unsere endlich ausgetrockneten Negative, welche sogleich zerschnitten wurden - nein nicht weil sie so schlecht waren sondern - zum Eintüten in Negativhüllen und für die Erstellung von Kontaktabzügen. Dann hieß es wieder Licht aus und Rotlicht an. Die besagten Kontaktabzüge wurden erstellt. Das hatte ich früher so gut wie nie gemacht, aber es hat eindeutige Vorteile bei der späteren Bildauswahl und hier sieht man ganz besonders die große Nützlichkeit von Mittelformat. Anhand der erstellten Kontaktabzüge gab es eine kurze "Bilddiskussion" am ausgewählten Bild wurde schon auf Grundlage des Kontaktabzugs die Bildeigenschaften, wie Dichte, Kontrast usw., für die spätere Vergrößerung grob besprochen bzw. analysiert. Mit ein bis drei Probestreifen tasteten wir uns an die richtige Belichtungszeit und den optimalen Kontrast der Vergrößerung heran. Dabei war es notwendig jeden Probestreifen zu entwickeln, fixieren und möglichst bei Tageslicht zu betrachten um die Auswirkung der Veränderungen bzw. unterschiedlichen Belichtungszeiten korrekt beurteilen zu können. Nun wurde aus dem Schnipsel für die erste Arbeitskopie ein vollformatiges Fotopapier. Nach entwickeln und fixieren hieß es wieder Rotlicht aus und Licht an. Erst jetzt hatte man einen Gesamteindruck seines Fotos. Es galt nun noch mal zu überprüfen, ob die gewählte Belichtungszeit für das gesamte Bild geeignet war und ob auch der Kontrast im ganzen Bild stimmig ist. Im Nächsten Abzug wurden jetzt ggf. noch etwas korrigiert und durch abwedeln oder nachbelichten bestimmte Bildbereiche etwas heller bzw. dunkler gemacht. Was mir bis dato neu war, sind die Multigrade-Papiere. Zu meiner DDR-Fotolaborzeit gab es für verschiedene Gradationen jeweils verschiedene Papiere (weich, normal und hart). Jetzt kann man mit besagten Multigrade-Papieren durch Veränderung mit entsprechenden Filtern (Magenta=hart; Yellow=weich) verschiedene Gradationen im Papier ansprechen. Dies eröffnete für mich ganz neue Möglichkeiten die in meiner alten Dunkelkammerphase noch nicht denkbar waren, z.B. ist es nun machbar mit Teilbelichtungen unterschiedliche Bereiche im Bild mit verschiedenen Gradationen anzusprechen oder harte und weiche Kontraste miteinander zu kombinieren. Hat fast was von Arbeiten mit Ebenen in Photoshop ;-)
Nach dem zweiten oder dritten Versuch von Belichtung, Abwedeln, Nach- und Teilbelichtung und anschließendem Entwickeln und Fixieren habe ich nun (endlich) mein fertiges Bild in der Hand :-) Nach ausgiebigem Wässern und Trocknen habe ich nun am Ende des zweiten Tages meine fertigen Bilder mit allen Arbeitskopien, einigen Probestreifen als Erinnerung, Kontaktabzüge, Negative und den Kopf voller Eindrücke.
Nach 22 Jahren musste ich feststellen, dass doch vieles von mir vergessen wurde, aber einiges auch schnell wieder in Erinnerung trat und viele Neuerung und Arbeitsweisen gibt. Der typische Geruch von Entwickler und Fixierbad hat sich kaum geändert, auch dass man in der Dunkelkammer jegliches Zeitgefühl verliert ist geblieben. Obwohl ich seit Ende der 90er Jahre nur noch digital Fotografiert habe und vielleicht darüber auch etwas müde geworden bin, hat mich die erneute bzw. neuerliche Auseinandersetzung mit der Analogfotografie inkl. Selbstentwicklung im Labor vielleicht wieder etwas sensibilisiert. Sicherlich werde ich der Digitalfotografie nicht den Rücken kehren, aber auf jeden Fall öfters auf das Althergebrachte zurückgreifen und zumindest im Hybridverfahren die Negative einscannen und in wohl größeren Abständen auch mal wieder die Dunkelkammer aufsuchen. Schon allein die zeitliche Auseinandersetzung mit einem Bild bis zum fertigen Ergebnis ist immens, aber genau das ist der Grund - die Wiederentdeckung der Langsamkeit. Ich kann nur jeden Digitalfotografen empfehlen, sich mal mit der Materie der Analogfotografie und vorallem dem Dunkelkammerprozess auseinanderzusetzen, denn im analogen Prozess wird die Entstehung eines Bilds regelrecht zelebriert...
Alles in allem ein sehr schönes und interessantes Wochenende. Besonderen Dank an den Workshopleiter und Gastgeber Jens Straube.
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